LEBENDIGE MOSELWEINBERGE

Flora und Fauna der Terrassenweinberge und Schiefertrockenmauern

Aktuell begegnet man dem Begriff "Biodiversität" auch hier an der Mosel. Was hat es damit auf sich? Der Zeitraum von 2011 bis 2020 wurde von den Vereinten Nationen zur UN-Dekade der biologischen Vielfalt ausgerufen. Damit soll die Bedeutung der natürlichen Vielfalt (Vielfalt der Lebensräume, Artenvielfalt und genetische Vielfalt) oder Biodiversität für die Lebensvorgänge in der Natur stärker in das Bewußtsein von Politik, Gesellschaft und Wirtschaft gerückt werden. Besonders an den Steillagen-Weinlandschaften der Mosel kann man die Wechselbeziehungen zwischen dem Wirken des Menschen beim Kultivieren der Landschaften durch den Weinbau seit der Antike und der Vielfalt aller Organismen erkennen, die sich an die Extrem-Bedingungen in den Terrassenweinbergen mit Schiefertrockenmauern angepaßt haben.

Artenvielfalt Fährfelsterrassen Trittenheim - IMPRESSIONEN

REPTILIEN, INSEKTEN & CO.

Fauna im Terrassenwingert

Im Ökosystem Trockenmauer aus Schieferbruchsteinen fühlen sich viele Tiere wohl. Besonders die Mauereidechse schätzt diesen Lebensraum als Sonnenbank, Winterquartier, Versteck, Brutplatz und Nahrungsquelle.

FLIEGENDE NATURWUNDER

Schmetterlinge im Steillagenwingert

Im Laufe des Jahres begegnet man einer Vielzahl von wundervollen und farbenprächtigen Schmetterlingen. Im Frühjahr machen Zitronenfalter. Tagpfauenauge und Aurorafalter den Anfang. Es folgen Wiesenvögelchen, Bläulinge, Weißlinge, Kleewidderchen und Ochsenauge, an der Untermosel der Apollofalter. Highlights im Juli und August sind der russische Bär (auch spanische Flagge genannt) oder der Schwarze Bär (steht auf der Roten Liste). Dazu gesellen sich der Mauerfuchs und der Kleine Fuchs. Bis in den November kann dann noch der Admiral bewundert werden.

MEDITERRANE PFLANZENWELT

Flora im Terrassenwingert

Die Abhänge und Felskanten der Terrassenweinberge sind oft bewachsen mit  dichten  Hecken aus Holunder, Weißdorn, Haselnuss, Heckenrose, Schlehen und Kornelkirsche, an der Untermosel mit wildem Buchs und Montpellierahorn. In den Ritzen und Nischen der Schieferfelsen und Mauern fühlt sich der Goldlack wohl. Er sendet einen veilchenartigen Duft aus und taucht viele Felsen im Mai in ein goldenes Licht. Der Goldlack stammt aus den Mittelmeerländern und liebt sehr warme, nährstoff- und stickstoffreiche Sonnenstandorte. Viele Blühpflanzen wie beispielsweise roter Klatschmohn Weißklee, Wicken, Wermut, Ehrenpreis, Löwenzahn, Kompasslattich und Traubenhyazinthe bevölkern den Boden der Rebzeilen auf den einzelnen Terrassen und locken zahlreiche Insekten an. Im Frühjahr findet man Feldsalat und später wilden Thymian. 

WEINBERGSTROCKENMAUER

Historisches Denkmal und schützenswertes Biotop

In den wenigen noch gut erhaltenen Steillagenwingerten im Moseltal, da findet man sie noch: die urige Trockenmauer. Zu ihnen gelangt man nur über sehr alte Wingertspedchen und kleine Treppchen. Die typische Trockenmauer der Mosel ist aus locker aufeinander geschichteten Bruchschiefersteinen errichtet, ohne Mörtel zum Verfugen. Teilweise sind aus statischen Gründen Rundbögen eingebaut. Die Mauern bilden vielerorts eine Einheit mit den natürlich vokommenden Felsnasen und -vorsprüngen und machen schwer zugängliche Flächen für die Rebanpflanzung nutzbar, schützen den Hang durch ihre Wasserdurchlässigkeit und Stabilität vor Erosion und Erdrutschen. Diese Devonschiefermauern sowie unzählige Schiefersteine auf dem Boden speichern tagsüber die aufgenommene Wärme (im Sommer bis zu 70 °C) und geben sie nachts an die Reben und die Umgebung ab, sogar im Winter bleibt in den Steillagen ganz selten Schnee liegen, eine natürliche Auskühlung des Weinbergs und des Bodens wird verhindert. Mit der Kunst des Weinbaus kam die Kunst des Trockenmauerbaus schon zur Römerzeit vor 2000 Jahren an die Mosel. Der römische Architekt Vitruv forderte: Eine Mauer muss so errichtet werden, dass sie standhaft (firmitas), zweckmäßig (utilitas) und schön (venustas) ist. Beim Aufschichten der Steine zur Trockenmauer ist genau auf die Hangneigung zu achten, eine Kunst, die große Geschicklichkeit erfordert. Gut gebaute und gepflegte Weinbergsmauern haben eine Lebensdauer von über 150 Jahren. Hier kann sich ein einzigartiges, erhaltenswertes, artenreiches Biotop entwickeln. Auf den Mauerkronen tummeln sich so viele sonnenhungrige Mauereidechsen wie sonst nirgends in Deutschland und an den schattigen , feuchten Mauerfüßen fühlt sich die Weinbergschnecke wohl. Rebenschädlinge finden hier oft ihre natürlichen Gegenspieler, es kann auf viele Pestizide verzichtet werden.